Die Vorgeschichte des Projekts

Das Schicksal eines markanten Werler Gebäudes schien vorbestimmt, als der Renovierungs­stau dort ein enorm großes Ausmaß angenommen hatte. Klaffende Risse im Mauerwerk, durch die man ohne große Anstrengungen aus dem Gebäude heraus den abfahrenden Reisenden auf dem Bahnsteig zuwinken konnte, sanitäre Anlagen, die den Namen nicht verdienten, elektrische Leitungen, die nicht mehr den Ansprüchen an Sicherheit und erhöhter Leistungsanforderung entsprachen. Die Bausubstanz war eigentlich einer Ruine näher denn einem nutzbarem Gebäude.

Trotzdem gab es Leben im Bahnhof. Im Erdgeschoss wurden Fahrkarten für Fahrten in alle Welt verkauft und im ersten Obergeschoss wurden regelmäßig Schnellzüge auf den Weg geschickt, die eigentlich gar nicht mehr durch Werl fuhren, denn dort hatte der Modelleisenbahn-Verein „Eisenbahnfreunde Werl e.V.seit  Jahrzehnten sein Domizil. Die Eisenbahnfreunde hatten gelernt mit den widrigen Umständen des Gebäudes umzugehen und richteten sich entsprechend ihren Erfordernissen im Bahnhof ein. Zugige Fenster und schiefe Wände gehörten einfach zum „damaligen“ Bahnhofsgebäude. Das störte aber auch nicht die vielen hundert Besucher, die jedes Jahr die Ausstellung der Eisenbahnfreunde im Bahnhof besuchten und doch war es kein dauerhaft haltbarer Zustand.

Die Eisenbahnfreunde und auch der Fahrkartenschalter konnten nicht verhindern, dass das Bauwerk in den Planungen der Bahn AG überhaupt keine Rolle mehr spielte. Die Bahn hatte den Zugang zum Bahnsteig um das Gebäude herum durch einen Tunnel geführt und auch Fahrkarten konnte man schon am Automaten kaufen. Eine Aufgabe von Gepäck oder Stückgut war ebenfalls schon vor etlichen Jahren eingestellt worden. So konnte man vermuten, dass für das Bahnhofsgebäude irgendwann einmal der Abriss ansteht, falls nicht die Bahn eine erneute Nutzung anstrebt oder aber jemand anderer den Wert des Gebäudes als Blickfang am Ende der Bahnhofstraße erkennen würde.

Da passte es ganz gut, dass die Deutsche Bahn AG in den 90er Jahren damit begann, die einstmals stolzen Empfangsgebäude im ländlichen Raum für teilweise günstige Preise an den Mann zu bringen. So wurden die Gebäude vieler (auch ehemaliger) Bahnhöfe und Haltepunkte zu Wohnhäusern oder Gaststätten umgebaut.

Wage Ideen für die Nutzung des Werler Bahnhofsgebäudes, das 1998 in die Denkmalliste eingetragen wurde, gab es viele. Es war allerdings allen Beteiligten klar, dass es nicht wieder eine Nutzung in der alten Weise als Ankunftsort für Reisende oder als Warteraum geben wird, denn wenn das Gebäude einmal renoviert ist, sollte es auch möglichst einer wirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden. Es wurde jedoch schnell deutlich, dass es keine ernsthaften Konzepte für einen solchen Zweck gab!

Die Idee, in dem Gebäude eine Stätte für Kunst und Kultur zu schaffen, war am Anfang eine Initiative von einer handvoll Jugendlicher und junger Erwachsener, die sich ab 1999 ernsthaft um ein Kulturzentrum im Werler Bahnhof bemühte. In erster Linie waren es anfangs die Nachwuchsorganisationen der Werler Parteien, die sich gemeinsam für dieses Projekt stark machten. Eine Reihe von weiteren Akteuren, davon auch durchaus einige ältere Werler Bürgerinnen und Bürger, folgten. So gründete sich am 10. Februar 1999 der Förderkreis „Kulturzentrum“.

Es galt allerdings zuerst Widerstände zu brechen, denn es schieden sich die Geister - weniger am Projekt Kulturzentrum, als vielmehr am gewählten Ort für das Geschehen. Die Befürworter des Projekts hoben vor allem die Lage des Bahnhofs – mitten in der Stadt Werl – und den Charme des Gebäudes hervor. Dieser zeigte sich allerdings erst später. Die Bahnhofsgegner betonten ihrerseits den ruinösen Bauzustand des Gebäudes.

Es bildete sich bald aus der vorher eher losen Organisation die „Interessengemeinschaft (kurz IG)  Kulturzentrum“. Diese neue Organisationsstruktur verlieh dem Projekt geradezu Flügel, denn schon nach kurzer Zeit hatte die IG schon eine größere Anhängerzahl und nach einigen Sitzungen kamen auch Vertreter der Stadtverwaltung Werl hinzu. Weiterhin war von Seiten des Eigentümers des Gebäudes, der stadteigenen GWS, auch immer wieder ein Vertreter bei den Treffen anwesend.

Auch die „Eisenbahnfreunde Werl“ waren anfangs vertreten.

Das Jahr 2000 stand nun ganz im Zeichen von Planungs- und Überzeugungsarbeit. Die sehr aufwändigen Planungen waren hier sicherlich noch der einfachere Teil, denn es galt auf der anderen Seite, die Politik von dem Projekt zu überzeugen. Diese sollte nämlich bei der Finanzierung des Umbaus eine wichtige Rolle spielen, denn der Bahnhof ist einerseits Eigentum der stadteigenen GWS und zum anderen nimmt er im Zusammenspiel mit der zukünftigen Bahnunterführung Langenwiedenweg eine entscheidende Rolle ein.

Die IG Kulturzentrum machte sich also daran, ein Konzept für den Umbau und die Nutzung des Gebäudes zu erstellen. Es wurde schnell deutlich, dass es nicht mit einigen kleinen Renovierungen getan ist. Eine neue Nutzung erfordert auch einen neu gestalteten Grundriss, da hier aus kleinem Wartesaal und kleiner ehemaliger Bahnhofsgaststätte nun ein Veranstaltungsraum für hunderte Besucher entstehen sollte.

Nach zahlreichen Treffen in der IG Kulturzentrum wurde aus den Planungsgruppen heraus deutlich, dass für den Betrieb eines Kulturzentrums ein Träger geschaffen werden musste. Dieser sollte nicht die Stadt Werl sein, sondern ein noch zu gründender Verein.

Die Geburtsstunde vom Kultur für Werl e.V. war der 16. Januar 2001. Zur ersten Vorsitzenden wurde Ilona Wijnen gewählt, stellvertretender Vorsitzender wurde Olaf Grossmann, Kassenwart wurde Gerd Petermann, Schriftführerin wurde Andrea Filmer und die ersten Beisitzer hießen Thomas Schulte, Stefan Lefarth, Marcus Lehmann, Frank Debeljak und Johannes Voßberg von den Eisenbahnfreunden, der jedoch nach kurzer Zeit aus dem Vorstand ausschied. Der Verein übernahm von da an die konzeptionelle Arbeit für Umbau und Betrieb des Kulturzentrums im Bahnhof und warb bei Stadtfesten und sonstigen Veranstaltungen in der Stadt für das Projekt.

Erste Gehversuche im Veranstaltungsbereich unternahm der Verein dann noch im selben Jahr, als in Kooperation mit dem Zirkus „San Pedro Piccolino“ und finanziell unterstützt von diversen Fördergebern ein Musik- und Kulturfestival durchgeführt wurde. Auf dem Mehrzweckplatz auf dem KonWerl-Gelände startete samstagabends das Musikfestival „Alarm am Fliegerhorst“ in einem eigens angemieteten großen Zirkuszelt. Heimische Bands und ein DJ sollten am 8. September 2001 für die nötige Stimmung sorgen. Leider war dieser Samstag einer der regen- und sturmreichsten Tage des Jahres, so dass der erhoffte Besucherstrom ausblieb und der Abend nicht die erwartet positiven Erinnerungen bei den Beteiligten hinterließ. Am folgenden Sonntag war schließlich der Familien­tag dieses Veranstaltungswochenendes und dieser vom Wetter unabhängige Programmpunkt fand mit größerem Erfolg in der Zirkushalle in der Belgischen Straße statt.

Die Stadtverwaltung ihrerseits stellte parallel zu den Aktivitäten des Vereins eine Projektgruppe auf, die die gesamte Arbeit der städtischen Bediensteten am Bahnhofsprojekt unter das Motto „Bahnhof findet Stadt“ stellte. In enger Verzahnung mit dem Kultur für Werl e.V. wurde für den 18. Mai 2002 eine Präsentation des Projekts organisiert, die bei Livemusik und buntem Programm die Planungen für das Bahnhofsgebäude vorstellte.

Im gleichen Jahr starteten auch erste Partys und Auftritte von Bands im Bahnhof. Auf einer provisorischen Bühne in einer Ecke des zukünftigen Veranstaltungsraumes drängelten sich die Bands. In den folgenden Monaten wurde immer wieder zu Veranstaltungen in den Bahnhof eingeladen. Der nachlassende Besuch machte jedoch deutlich, dass mit Bierzeltgarnituren und improvisierter Bühne dauerhaft keine erfolgreiche Arbeit möglich ist.

Der mäßige Erfolg einiger späterer Veranstaltungen, aber auch die Aussicht, dass in kurzer Zeit ein Großprojekt Kulturzentrum im Bahnhof Werl nicht so leicht umsetzbar ist, lähmte ein Stück die Arbeit im Vorstand des Vereins vor allem über die folgende Sommerpause 2002 hinaus und eine erneute Initialzündung bewirkte erst die Anfrage der Planungsgruppe aus dem Rathaus, ob überhaupt noch Interesse an dem Projekt bestehe.

Der Vorstand vereinbarte schließlich in einer Vorstandsklausur im Oktober 2002 die zukünftige Vorgehensweise des Vereins und teilte die Verantwortlichkeiten innerhalb des Vorstandes neu. Es wurde grob aufgeteilt nach Finanzen, Programm und Ausbau. Die Mitglieder dieser Gruppen sind es auch in erster Linie, die noch heute das Leben im Verein mitbestimmen.

Das Jahr 2003 stand nun wieder ganz im Zeichen von gelegentlichen, mal mehr und mal weniger erfolgreichen Veranstaltungen im Bahnhofsgebäude. Es wurde jedoch immer deutlicher, dass ein Ausbau schnell kommen muss, um die Spannung und die Freude am Projekt noch hochhalten zu können.

Lange Zeit war es fraglich, ob die Finanzierung überhaupt zustande kommen konnte.

Dann stellte sich aber doch heraus, dass mit einem größeren Anteil von Landesmitteln, die nicht zuletzt aufgrund der kulturellen Nutzung gewährt wurden, und einem verhältnismäßig kleinen Anteil an städtischen Mitteln, die Renovierung der Außenhülle des Bahnhofs gewährleistet werden konnte.

Kurz vor Ende des Jahres 2003 erreichte eine weitere positive Nachricht die Stadt Werl. Das Kolping Bildungszentrum Werl erhielt von der Europäischen Union Mittel aus dem Xenos-Projekt, die u.a. die Maßnahme ermöglichte, mit Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz das Erdgeschoss des Bahnhofs so umzugestalten, dass eine Nutzung als Kulturzentrum möglich wurde.

Finanziell unterstützt durch Fördermittel des Landes aus dem Projekt „Initiative ergreifen“, sorgten die Vereinsmitglieder nun dafür, dass aus den „rohen“ Räumen ein farblich ansprechendes Zentrum mit voller gastronomischer und veranstaltungstechnischer Ausstattung wurde. In diese Aktivitäten flossen viele ehrenamtliche Arbeitsstunden und Anstrengungen, die sich letztendlich jedoch auszahlen sollten.

Die feierliche Eröffnung als „Kultur- und Eventzentrum Bahnhof Werl“ fand schließlich am 17. September 2005 nach eineinhalbjährigem Umbau statt…